Top Gun: Maverick jagt einen Rekord nach dem nächsten. Mittlerweile hat der Blockbuster mit Tom Cruise (demnächst in Mission Impossible 7 zu sehen) in den USA über 700 Millionen Dollar eingespielt – ein Ergebnis, das bislang nur die Marvel-Filme, Star Wars und Avatar erreichen konnten. Auch in vielen anderen Ländern ist Top Gun: Maverick der bisher mit Abstand erfolgreichste Film des Jahres. Er wurde nach seinem Release als On-Demand-Video in den USA so viel gekauft, wie kein anderer Film jemals zuvor. Wer hätte das gedacht? Schon jetzt kann man sagen: Top Gun: Maverick ist das Phänomen des Jahres 2022. Doch woher rührt dieser unglaubliche Erfolg? Zeit, auf Spurensuche zu gehen…
Plot
Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise) ist der wohl beste Pilot der Navy – trotzdem hat er nie die ganz große Karriere geschafft: Zu aufmüpfig, zu undiszipliniert, zu dickköpfig. Vor allem mit Vorgesetzten hat Maverick seine Probleme. Als er erneut über die Stränge schlägt, wird er auf Anordnung seines ehemaligen Fliegerkollegen Admiral Tom „Iceman“ Kazansky (Val Kilmer), der mittlerweile Kommandeur der Pazifikflotte ist, zu seiner alten Elite-Schule Top Gun versetzt. Dort soll er junge Pilotinnen und Piloten auf eine Mission vorbereiten, die nahezu unmöglich zu fliegen ist: Eine schwer bewachte, unterirdische Uran-Anreicherungslage, umgeben von Bergen, soll zerstört werden. Maverick bleiben gerade einmal drei Wochen Vorbereitungszeit, damit die Mission nicht in einem Desaster endet. Unter den jungen Fliegerinnen und Fliegern ist auch Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller) – Sohn von Mavericks verstorbenen Freund Goose. Bradley macht Maverick für den Tod seines Vaters verantwortlich und hält ihm vor, seine Karriere gebremst zu haben, da Maverick damals die Aufnahme Bradleys an der Militärakademie verhindert hat. Immer wieder geraten die beiden aneinander…
Der Film: Kriegs-Ästhetik und atemberaubende Action
Wir müssen zuerst über die Kriegs-Ästhetik im Film sprechen. Ich bin ehrlich: Den ersten Top Gun aus dem Jahr 1986 habe ich nie gesehen und auch Top Gun: Maverick hätte ich mir nie angeschaut, wenn es nicht diesen unglaublichen Erfolg gegeben hätte, der mich so neugierig gemacht hat. Der übertriebene USA-Patriotismus, die Kriegsverherrlichung, die Anbetung von Waffen – all das finde ich unerträglich. Und tatsächlich ist es so, dass Top Gun: Maverick diese Inhalte hat: Waffen werden zur Schau gestellt wie Spielzeuge, der Jet wird als regelrechte Gottheit zelebriert und der Sinn der Mission wird im Film nie hinterfragt. Das Leben der jungen Menschen wird aufs Spiel gesetzt, weil es eben so sein muss. Trotz all dem muss ich sagen, dass es irgendwo auch heuchlerisch ist, Top Gun: Maverick das anzukreiden. Bei weitem schlimmer ist doch wohl die „Kriegs-Ästhetik durch die Hintertür“, die nicht nur bei Events, wie dem mittlerweile auch in Deutschland so beliebten und viel geschauten Superbowl stattfindet, sondern auch in Filmen wie Captain America. Im Vergleich dazu haut Top Gun: Maverick einem die Kriegs-Ästhetik frontal ins Gesicht – das ist zwar immer noch nicht gut, aber es ist immerhin ehrlich. Klammert man diesen Aspekt aus, bietet einem Top Gun: Maverick auch so nicht sonderlich viel. Die Geschichte ist so platt, wie sie sich anhört und die Charaktere sind genauso oberflächlich, wie man sie sich vorstellt. Was macht den Film denn überhaupt gut?
Trotz meiner Skepsis gegenüber der Kriegsthematik und trotz der Schwächen, habe ich gemerkt, wie mich Top Gun: Maverick im Laufe des Films immer mehr in seinen Bann gezogen hat. Ein Grund dafür ist die Action. Die Szenen im Jet sind schlichtweg atemberaubend. Um sie zu drehen, wurden IMAX-Kameras in echte Militärjets eingebaut. Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind außerdem tatsächlich im Jet geflogen, wobei sie die Kameras dabei selbst bedienen mussten. Sie fliegen also wirklich 900 km/h und auf sie wirken echte g-Kräfte. Der Sound dabei ist entsprechend wuchtig und spektakulär. All das ist extrem authentisch. Aber dass die Menschen nur wegen der Action in die Kinos strömen und deswegen so begeistert sind, scheint unrealistisch. Was kann den Erfolg also sonst noch ausmachen? Ein weiterer Grund ist sicherlich die bereits angesprochene Kriegs-Thematik, die angesichts des Ukraine-Kriegs wieder eine wichtige Rolle für die Menschen spielt. Auch der Patriotismus in Top Gun: Maverick tut der US-amerikanischen Bevölkerung sicherlich mal wieder gut, nachdem das Bild von der Weltmacht und vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten die letzten Jahre stark ins Wanken geraten ist. Im Kern aber geht es in Top Gun: Maverick um etwas ganz anderes. Denn in erster Linie erzählt der Film von den Generationskonflikten unserer heutigen Zeit…
(Achtung: Die nachfolgenden Abschnitte enthalten massive Spoiler.
Die Generation von früher: Lernen loszulassen
Schon in der ersten Szene schwelgt Top: Gun Maverick in Erinnerungen, wenn Danger Zone von Kenny Loggins durch die Boxen kanllt– das Lied aus dem ersten Teil. Von Beginn an zeichnet der Film eine alte, draufgängerische Generation der unbegrenzten Möglichkeiten. Verkörpert wird diese durch den ewig junggebliebenen Tom Cruise. In gefühlt jeder Szene schenkt er uns sein fast schon legendäres Lächeln samt strahlend weißer Zähne. Beim Football spielen am Strand sehen wir seinen sportlich jungen, muskulösen und braungebrannten Körper. Ohne Helm, dafür mit Pilotensonnenbrille auf der Nase und Frau hintendrauf, fährt er Motorrad; er fliegt Rekordgeschwindigkeiten im Jet und bricht jede Militärregel, die man brechen kann. All das wirkt so aus der Zeit gefallen, so lächerlich, so albern. Gleichzeitig berührt es einen doch irgendwo, denn immerhin ist es Ausdruck einer Generation, in der alles möglich war; in der es keine Beschränkungen und keine Limits gab. Immer wieder malt Top Gun: Maverick diese scheinbar längst vergessenen Bilder. Glücklicherweise driftet der Film dabei niemals in Nostalgie ab. Viel mehr stellt er der Generation die unangenehme Frage: Wie zeitgemäß ist das noch?
Auch Maverick muss sich diese Frage stellen. Diesen Lebensstil hinter sich zu lassen, sich mit seiner Frau zur Ruhe zu setzen und anderen das Feld überlassen – das ist gar nicht so einfach, wie er feststellt. In einer Szene sucht Maverick seinen Freund Kazansky auf, der mittlerweile an Kehlkopfkrebs erkrankt ist. Der Admiral kann deswegen kaum mehr sprechen und muss über einen Computer kommunizieren. An Maverick schreibt er die folgenden Worte: „Du musst lernen loszulassen“. Damit meint Kazansky nicht nur den Konflikt um Mavericks ehemaligen Fliegerkollegen Nick Bradshaw und dessen Sohn Bradley. Er meint auch das Leben, das Maverick führt. Immer wieder konfrontiert der Film ihn mit dieser schwierigen Aufgabe: Lernen loszulassen. Top Gun: Maverick schielt hier zu der älteren Generation im echten Leben. Genau wie Maverick, muss auch sie lernen loszulassen – das materielle, verschwenderische und bequeme Leben, welches die Generation Jahrzehnte geführt hat, das früher okay war, es heute aufgrund von Problemen wie Klimawandel und anderen Krisen jedoch nicht mehr ist. Aber wie lässt man all das los? Und vor allem an wen?
Die Generation von heute: Überheblich und voller Selbstzweifel
Die jungen Pilotinnen und Piloten, die Maverick vorbereiten soll, sind naiv, arrogant und sie drehen sich um sich selbst. So ist die erste Begegnung zwischen Bradley Bradshaw und seinem Kontrahenten Jake Seresin (Glen Powell) ein waschechter Schwanzvergleich, bei dem das Testosteron nur so sprüht. Es geht darum, wer von ihnen der bessere Anführer für die kommende Mission ist. Ich, ich, ich. Die junge Garde hält sich für unantastbar, allwissend und allkönnend – entsprechend verhalten sie sich gegenüber Maverick. Schnell macht dieser ihnen jedoch klar, dass sie all das nicht sind. Beim Training im Cockpit erteilt er ihnen eine ordentliche Lektion und nimmt sie mit seinem Fadenkreuz ins Visier. Dabei entlarven sich die ach so selbstsicheren Pilotinnen und Piloten als ziemlich zerbrechlich. Auch hier schlägt Top Gun: Maverick den Haken zu der jüngeren Generation im echten Leben. Deutlich wird das vor allem in „Rooster“, der sich permanent fragt, ob er der Mission gewachsen ist. Er ist ein von Leistungsdruck, Selbstzweifeln und Versagensängsten geplagter Junge – genau wie es so viele junge Menschen heute sind. Im Training schafft keiner der Pilotinnen und Piloten den wahnsinnigen Flug, den Maverick sich überlegt hat. Nachdem Kazansky gestorben ist, wird Maverick schließlich vom neuen Vorgesetzten gefeuert. Er steht ohne alles da. Und die Jungen haben ihren Mut nun gänzlich verloren.
Generationskonflikte überwinden
Und genau hier schafft Top Gun: Maverick den perfekten Twist: Statt sich auf eine der beiden Generationen zu stürzen, Vorwürfe auszusprechen und Klischees zu bedienen, behandelt der Film beide Generationen und ihre Probleme mit Respekt. Hier wird niemand als „Boomer“ oder „Greta-Jünger“ diskreditiert. Denn weder ist die alte Generation perfekt noch die junge. Statt die Generationen also gegeneinander auszuspielen, zeigt der Film, wie die Generationskonflikte zu überwinden sind. Zunächst ist es Maverick, der Verantwortung übernimmt. Ohne Erlaubnis fliegt er in einem Testflug die scheinbar unmögliche Strecke und führt den jungen Pilotinnen und Piloten vor Augen, dass sie es schaffen können. Für „Rooster“ hat er später noch einen speziellen Rat: Er soll aufhören, so viel nachzudenken, seinen Instinkten folgen und einfach machen – Schluss also mit den ständigen Selbstzweifeln und dem Hinterfragen des Selbst.
Maverick wird nach der Vorführung des Flugs überraschend vom Ausbilder zum Rottenführer ernannt. In seinem letzten großen Flug zeigt er nochmal all sein Können: Spektakuläre Manöver, Raffinesse und coole Sprüche. Mit Mavericks Rolle als Anführer will der Film aber nicht sagen, dass man doch lieber der älteren Generation das Feld überlassen sollte. Nein, die Zukunft liegt in den Händen der Jungen, das macht der Film unmissverständlich klar. So wählt Maverick „Rooster“ als seinen Wingman. Als Maverick nach erfolgreichem Abschuss der Anlage im Feindesgebiet abstürzt und die restlichen Pilotinnen und Piloten den Befehl bekommen, umzukehren, weigert sich „Rooster“. Stattdessen kehrt er ins Feindesgebiet um und rettet Maverick in letzter Sekunde das Leben. Er macht einfach. Er ist es nun, der anführt; der das Ruder übernommen hat. Gemeinsam vereint schaffen sie aus der brenzligen Lage.
Maverick versteht dann am Ende auch, dass seine Zeit vorbei ist. Er ist nun im Ruhestand. Wir sehen ihn, wie er in der Fliegerhalle an einem Flugzeug schraubt. Er übergibt das Werkzeug sinnbildlich an Bradley Bradshaw, mit dem dieser weiter am Flugzeug schraubt. Die Zeit der alten Generation ist nun vorbei, die der jungen gekommen. Mit seiner neuen Freundin Penelope Benjamin (Jennifer Connelly) fliegt Maverick schließlich in den Sonnenuntergang, diesmal im Privatflugzeug und nicht im Jet. Schließlich hören wir Hold my Hand von Lady Gaga – der Sängerin, die Ausdruck einer jungen, progressiven Generation ist. Und damit schließt sich die Klammer zum Anfang des Films.
Fazit
Top Gun: Maverick ist ein Film, den man aufgrund seiner Kriegs-Ästhetik, seiner langweiligen Geschichte und den öden Charakteren verteufeln kann. Trotz all dem reißt einen der Film mit, denn er verarbeitet die Generationskonflikte unserer heutigen Zeit auf großartige Weise. Der Film ist ein Appell an die junge und alte Generation aufzuhören, sich gegenseitig zu verfluchen und sich trotz der großen Unterschiedlichkeiten mit Respekt zu begegnen. Top Gun: Maverick nimmt die Probleme, Ängste und Sorgen der beiden so gegensätzlichen Generationen ernst. Und er zeigt uns, wie diese gelöst werden können: Indem Jung und Alt zusammenarbeiten. Top Gun: Maverick berührt alle Generationen und trifft sie mitten ins Herz. Das ist das Geheimnis seines Erfolgs.
Genre: Action | FSK: 12 | Laufzeit: 130 Minuten | im Kino, u.a. zu kaufen auf Amazon Prime, Apple und Sky