Menschliche Komödie – Triangle of Sadness Kritik

Inhaltsverzeichnis

Der neue Film von Regisseur Ruben Östlund, Triangle of Sadness, ist eine bitterböse Abrechnung mit den Reichen und Schönen. Östlunds neuer Film stempelt die High Society aber nicht nur als eiskalte Kapitalistenmonster ab, sondern zeigt sie als Menschen, bei denen wir Zuschauerinnen und Zuschauer selbst entscheiden müssen, was wir von ihnen halten wollen.

Plot

Das Liebespaar Yaya (Charlbi Dean Kriek) und Carl (Harris Dickinson) – beide Models, sie außerdem erfolgreiche Influencerin – führen ein luxuriöses Leben, bei dem die einzige Sorge zu sein scheint, wer die Rechnung im Restaurant häufiger zahlt. Bei dem Aufenthalt auf einer Luxusyacht lässt es sich das Modelpaar zusammen mit anderen Mitgliederinnen und Mitgliedern der High Society so richtig gut gehen: Sonne, Champagner, Dolce Vita. Doch dann passiert etwas Unvorstellbares, das die reiche Gesellschaft und auch Yaya und Carl schlagartig aus dem privilegierten Leben katapultiert. Sie finden sich in einer Situation wieder, die sie nie für möglich gehalten hätten…

Kritik

Nutella und Champagner - Einsamkeit und Verlorenheit

Der zweite Akt von Triangle of Sadness auf der Luxusyacht beginnt mit der Szene, in der ein Helikopter heranfliegt und einen gelben Koffer abwirft. Ein Boot fährt heran, gabelt den Koffer auf, lädt ihn ein und kehrt zur Yacht zurück. 
„Was da wohl drin sein mag?“, frage ich mich.
„Medikamente, Verbände, wichtige Dokumente?“
Nein: Drei Gläser Nutella. Extra eingeflogen für die reiche Russin Vera (Sunnyi Melles), die mal wieder Bock auf Schokocreme hat. Das ist Triangle of Sadness. Regisseur Östlund mixt all die Oberflächlichkeiten, Ekelhaftigkeiten und Absurditäten der privilegierten Gesellschaftsschicht zusammen und zaubert daraus einen bittersüßen Cocktail. Die Szenen auf der Luxusyacht wirken wie ein Best of” aller Beobachtungen, die der Schwede über die Jahre in der Welt der Reichen und Schönen gemacht hat. Eine skurrile Szene reiht sich hier an die nächste. Mal beschwert sich Carl aus Eifersucht über einen Mitarbeiter, der oberkörperfrei arbeitet, ein anderes Mal sind der reichen Gattin die Segel zu schmutzig, obwohl die Yacht gar keine Segel hat. Man merkt Östlund die Wut und Bitterkeit gegenüber der Luxuswelt in jeder dieser Szenen an. 

Die große Stärke des Regisseurs ist, dass er bei der Inszenierung nicht in einfaches Bashing der Oberschicht verfällt. Vielmehr schafft er es immer auch Menschen zu zeigen, die irgendwo ein Herz haben, gleichzeitig aber eiskalte, geldversessene und weltfremde Kapitalisten bleiben sind, die man nicht verstehen, nicht greifen kann. Da ist zum Beispiel die großartige Szene, als die besagte Nutella-Russin Vera mit dem Personal der Yacht anbandelt. Die Einsamkeit und Verlorenheit, die dabei aus Vera spricht, hat etwas zutiefst Menschliches. Ihr Hochgefühl mündet schlussendlich darin, dass sie die Arbeiterinnen und Arbeiter der Yacht auffordert, schwimmen zu gehen. Frei nach dem Motto: „Gehorche!“. Daraufhin wird das gesamte Personal – egal ob aus der Kombüse oder dem Maschinenraum – zusammengetrommelt, um zu planschen. Vera steht dann mit einem Champagnerglas daneben und jubelt. Bei solchen Szenen verfalle ich in Fremdscham, bekomme Mitleid, werde wütend, lache. 

Östlund zwingt mir dabei jedoch nie auf, die Reichen und Schönen nur zu verabscheuen. Eigentlich begleitet er mit der Kamera nur Momente, die täglich in der Oberschicht passieren. Er zeigt, was ist. Was ich als Zuschauerin und Zuschauer dann daraus mache, überlässt er mir. Die Palette an Emotionen, die der Regisseur dabei anspricht, ist fantastisch. Das Crescendo an durchgeknallten Szenen mündet schlussendlich im „Captain Dinner“ – einer Fress-, Kotz-, und Scheißorgie. Ich möchte nicht mehr verraten, nur so viel: Das „Captain-Dinner“ ist einer der unterhaltsamsten Filmszenen, die ich in den letzten Jahren im Kino gesehen habe.

Glänzende Körper und Mark Twain

Die oberflächliche Plastikwelt wird durch eine wunderbare Kamera eingefangen. Die aalglatten, glänzenden und braungebrannten Körper, die sich auf Sonnenliegen rekeln, werden in ihrer Gänze gezeigt. Nahaufnahmen zeigen die aufgedunsen, fleischigen und rotgefärbten Alkohol-Gesichter. Die Kostüme und das Make-Up tun ihr Übriges: Seidentücher, dicke Perlenketten, bunte Anzüge, goldene Ringe. Hervorzuheben ist auch das Schauspiel. Dickinson (The King´s Man: The Beginning) und Kriek machen ihre Sache fantastisch. Sie schaffen es durch ihre Mimik und Gestik die Oberflächlichkeit und Ekelhaftigkeit ihrer Charaktere zu transportieren, genauso wie die Unsicherheit und Zweifel. Leider ist Kriek Ende August im viel zu frühen Alter von 32 Jahren verstorben. Woody Harrelson (ZombielandTrue Detective) als Captain Thomas Smith und Zlatko Burić (2012) als reicher, völlig abgedrehter Russe Dimitry stechen ebenfalls hervor. Zusammen harmonieren sie super, vor allem in der Szene, in der sie über Kapitalismus und Marxismus debattieren, wobei sie sich gegenseitig Zitate von Mark Twain und Karl Marx an den Kopf schmeißen. Auch die deutsche Schauspielerin Iris Berben als im Rollstuhl sitzende und sprachgestörte Gattin Therese macht Spaß. Ihr Wortschatz ist im Film auf einen einzigen Satz beschränkt, den sie bei jeder Gelegenheit sagt, ruft, schreit: „In den Wolken“. Merkt euch diesen Satz.

Erster Akt schleppend, letzter Akt schwach

Triangle of Sadness ist in drei Akte gegliedert. Der erste Akt spielt in der Modebranche, der zweite auf der besagten Luxusyacht, der dritte an einem anderen Ort, den ich aus Spoilergründen nicht nennen möchte. Im ersten Akt gibt es ein paar nette Szenen, zum Beispiel, wenn zu Beginn der Modenschau auf dem riesigen Bildschirm hinter dem Laufsteg die Worte: „There ist a new climate…“ erscheinen, und kurz darauf: „…entering the world of fashion“. Trotz solcher Szenen kommt Triangle of Sadness etwas schleppend in Gang und hier fehlt stellenweise die Bissigkeit, die der Film auf der Yacht zeigt. Der dritte Akt ist noch weniger gelungen und hier flacht der Film dann auch stark ab. Ich verstehe, was Östlund damit erzählen möchte, nur gebraucht hätte ich es nicht mehr. Mit knapp einer Stunde, die der Film im dritten Akt lang ist, zieht er sich zum Ende auch nochmal ordentlich. Die letzten 5 Minuten des Films sind dagegen wieder fantastisch.

Fazit

Mit Triangle of Sadness gewinnt Östlund nach The Square (2017) bereits das zweite Mal die Goldene Palme von Cannes – und das völlig zurecht. Triangle of Sadness ist eine zynische, ironische, ekelhafte, lustige, absurde Satire auf die Welt der Reichen und Schönen. Östlund zeigt die High Society schonungslos so wie sie ist, wobei er ihnen aber niemals das Menschliche abspricht. Was wir als Zuschauerinnen und Zuschauer aus dem Gezeigten machen, überlässt der Schwede uns selbst. Auch wenn der Film etwas schleppend in Gang kommt und im letzten Akt stark abflacht, lohnt er sich alleine nur wegen des herausragenden Mittelteils auf der Yacht – lange nicht mehr hatte ich so viel Spaß im Kino.

Bewertung

4/5

Genre: Komödie/Drama | FSK: 12 | Laufzeit: 147 Minuten | auf Blu-ray

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