Winter, Schnee, Filme. Einen schöneren Dreiklang gibt es wohl kaum. Damit ihr für die nächsten Monate vorgesorgt seid, habe ich euch drei Filme mitgebracht, die perfekt zu einem gemütlichen Abend auf der Couch bei Kälte, Schnee und Winter passen.
1. Wind River (2017)
Cory Lambert (Jeremy Renner) arbeitet als Jäger in einem Indianerreservat im US-Bundesstaat Wyoming. Eines Tages stößt er inmitten der verschneiten Wildnis auf die Leiche der jungen Natalie (Kelsey Chow). Die örtliche Polizei ist für einen solchen Fall zu unerfahren, sodass die junge FBI-Agentin Jane Banner (Elizabeth Olsen) hinzugezogen wird, die sich jedoch schwer mit der rauen Wildnis tut. Aus diesem Grund unterstützt Lambert, dessen eigene Tochter vor Jahren spurlos verschwunden ist, Banner bei den Ermittlungen. Diese stellen sich jedoch schnell als widrig und lebensbedrohlich heraus…
Wind River von Regisseur Taylor Sheridan erzählt neben dem spannenden Kriminalfall in erster Linie vom kollektiven Versagen der USA bei ihren Ureinwohnerinnen und Ureinwohnern. Erzählt wird die Problematik anhand des Falls um Natalie, die ebenfalls Native American ist. Die zerrissenen Eltern der Ermordeten kämpfen mit psychischen Problemen und ihrer Identität. Natalies Bruder lebt in einer abgewrackten Blechhütte und ist stark drogenabhängig. Natalie selbst ist Opfer von brutaler Gewalt. Schonungslos zeigt Sheridan, wozu die durchgehende Vernachlässigung und schlechte Behandlung der Native Americans geführt hat: Zu einem gezeichneten und an den Rand der Gesellschaft gedrängten Volk.
Die Erzählung des Films ist zwar langsam, wird jedoch nie langatmig. Das liegt einerseits daran, dass Wind River genau weiß, was er will und wo er hinmöchte. Nervige Nebenschauplätze und uninspirierte Romanzen bleiben uns erspart. Andererseits lässt Sheridan die Geschehnisse im richtigen Moment beinahe explosionsartig eskalieren. Das mündet in Action, die mitunter brutal und wuchtig daherkommt. Mit der Zeit spitzt sich Wind River so immer mehr zu und endet schlussendlich in einem spektakulären Finale, das ich lange in Erinnerung behalten werde. Untermalt wird der Film durch eine fantastische Atmosphäre: Die Kamera fängt die Einsamkeit und Weite, die Schönheit und Rauheit der Schneelandschaft wunderbar ein. Wind River gehört übrigens zur „American-Frontier-Trilogie“, zu dessen weiteren Filme Sicario (2015) und Hell or High Water (2016) gehören – alle drei stammen aus der Feder Sheridans; alle drei sind fantastisch. Wind River ist ein großartiger Thriller, der die in Filmen viel zu selten angesprochene Problematik der US-amerikanischen Ureinwohnerinnen und Ureinwohner behandelt und das, auf packende Weise. Und im Schnee.
Genre: Thriller | FSK: 16 | Laufzeit: 107 Minuten | kostenlos auf Netflix
2. I Saw the Devil (2010)
Als seine Frau in einer verschneiten Winternacht auf bestialische Weise ermordet wird, möchte Kim Soo-hyeon (Lee Byung-hun) sich rächen. Schnell entlarvt der junge Geheimagent den Mörder als den psychopathischen Kyung-chul (Choi Min-sik). Als Soo-yeon ihn auffindet, hat er die Möglichkeit, ihn zu töten – doch stattdessen beginnt er ein perfides Spiel: Er lässt Kyung-chul eine Kapsel schlucken, mit der er ihn durchgehend per GPS orten kann. Anschließend schreitet er bei jedem bevorstehenden Verbrechen des Mörders ein, um ihn so in den Wahnsinn zu treiben. Doch dieses Spiel stellt sich bei dem psychopathischen Kyung-chul schnell als gefährlich heraus…
Das zentrale Thema in I Saw the Devil von Regisseur Kim Jee-woon ist Rache. Besonders ist die Art und Weise, wie der Südkoreaner diese inszeniert. Anstatt dass der Rächer wie so häufig zu sehen ein Underdog ist, der im Laufe der Geschichte über sich hinauswächst und am Ende seine Rache bekommt (oder auch nicht), ist die Rollenverteilung in I Saw the Devil eine ganz andere: Soo-yeon ist kamperprobt und brutal; schon im ersten Aufeinandertreffen mit dem Mörder haut er diesen kurz und klein und hat die Möglichkeit, ihn zu töten. Im Prinzip erreicht er sein Ziel also sofort. Doch was dann? Was, wenn man die sofortige Möglichkeit zur Rache hat? Genau diese Frage stellt I Saw the Devil. Die Lösung Soo-yeons ist, den Mann für seine Taten zu quälen und leiden zu lassen. Ähnlich wie bei Blue Ruin (2013), den ich bereits in einer Kurzkritik für seinen Rache-Plot gelobt hatte, zeigt I Saw the Devil am Ende, was diese scheinbar bittersüße Rache bringt: Nichts als weiteres Leid.
Die Geschichte wird dabei von seinen Protagonisten getragen. Soo-yeon kann kämpfen und Kyung-chul ist gewieft; die beiden liefern sich einen Schlagabtausch nach dem nächsten und sind sich durchgehend ebenbürtig. Dieser Kampf auf Augenhöhe macht Spaß mit anzusehen. Hervorzuheben ist hier auch das fantastische Schauspiel Cho Min-siks, den die meisten aus Oldboy (2003) kennen dürften. Selten habe ich einen so ekelhaften, psychopathischen und sadistischen Killer gesehen. Apropos: I Saw the Devil ist nichts für schwache Nerven. Der Film ist stellenweise extrem brutal und blutig: Folterszenen, Kannibalismus, Verstümmelung inklusive. In Deutschland ist der Film – natürlich – indiziert. Passend zur düsteren und kühlen Atmosphäre des Films sind die fantastischen Schauplätze. Wir sehen zum Beispiel eine Art Foltergrotte mit Ketten, Sägen und Guillotinen oder ein modernes Architektenhaus mitten im dunklen Wald, in dessen Keller die persönliche Küche eines Kannibalen ist. I Saw the Devil ist ein brutaler Rache-Film, der durch seine originelle Erzählweise und seine Gegenspieler auf Augenhöhe brilliert.
Genre: Thriller/Action/Horror | FSK: 18 | Laufzeit: ungeschnitten 136 Minuten/ geschnitten 125 Minuten | zum Leihen bei Amazon Prime oder AppleTV
3. Pathfinder (1987)
Um das Jahr 1000 n. Chr.: Der Teenager Aigin, der zum Volk der Samen in Nordskandinavien gehört, kehrt eines Tages von der Jagd zurück und muss feststellen, dass seine Eltern und seine kleine Schwester ermordet wurden. Verantwortlich dafür ist das brutale Volk der Tschuden. Aigin wird am Tatort entdeckt, kann aber fliehen. Die Tschuden lassen jedoch nicht locker und jagen den Jugendlichen durch die kalte Schneelandschaft…
Wer Lust hat, in eine komplett fremde und mystische Welt einzutauchen, ist bei Pathfinder genau richtig. Regisseur Nils Gaup erzählt hier von den Samen, die indigenen Einwohnerinnen und Einwohner Fennoskandinaviens. Gaup, selbst samisch-norwegischer Herkunft, inszeniert mit dem Film eine Volkssage, die sein Großvater ihm in der Kindheit erzählt hat. Pathfinder ist ruhig und bodenständig und offenbart sich in seinen Zwischentönen. Es geht um ein Volk, das in einer rauen und kalten Welt täglich um sein Überleben kämpfen muss: ein Volk, das eine tiefe Verbundenheit zu sich selbst und der Natur hat. Dabei sind Geschichte und Charaktere in Pathfinder weniger wichtig. So stößt Aigin auf seiner Flucht auf eine andere Siedlung, verliebt sich, erlebt weitere Abenteuer. All das ist zwar durchaus unterhaltsam, nicht aber der Kern des Films .
Das ist viel mehr die fantastische Atmosphäre. Es ist der erste Film in samischer Sprache. Viele Schauspielerinnen und Schauspieler sind echte Samen. Gedreht wurde der Film hoch im Norden Norwegens bei extremsten Wetterverhältnissen und Temperaturen von bis zu -47 Grad Celsius – dagegen scheinen die damals aufsehenerregenden Dreharbeiten zu The Revenant (2015) ein Witz. Die Kostüme und Schauplätze tragen ebenfalls zur mythischen Atmosphäre bei; wir sehen dicke Fellmäntel, zugeschneite Zelte, selbstgebaute Armbrüste und Speere. Viele dürfte das an The Northman (2022) erinnern. Untermalt wird der Film mit einem wunderbar stimmungsvollen Soundtrack, von dem ich mehrmals Gänsehaut bekommen habe: Der sogenannte „Joik“, ein dem Jodeln verwandter, ganz spezieller Gesang der Samen, ist wirklich einzigartig. Pathfinder ist ein wahnsinnig atmosphärischer Film, der uns Einblicke in die ganz spezielle und einzigartige Kultur der Samen gibt und nebenher eine unterhaltsame Volkssage erzählt.
Genre: Drama/Abenteuer/Action | FSK: 16 | Laufzeit: 83 Minuten | kostenlos auf Amazon Prime