Kurzkritiken – Ran, Im Westen nichts Neues, Barbarian, Avatar 2, The Witch

Inhaltsverzeichnis

In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich zahlreiche Filme gesehen, unter anderem den Klassiker Ran von Akira Kurosawa, den lang ersehnten Avatar: The Way of Water sowie Deutschlands Oscar-Sensation Im Westen nichts Neues, die ich in diesem Artikel besprechen möchte. Dazu habe ich zwei Horrorfilme mitgebracht: Barbarian und The Witch. Viel Spaß!

1. Ran (1985)

Plot

Im Japan des 16. Jahrhunderts beschließt der alternde Fürst Hidetora Ichimonji (Tatsuya Nakadai) sein Reich unter seinen drei Söhnen Taro (Akira Terao), Jiro (Jinpachi Nezu) und Saburo (Diasuke Ryu) aufzuteilen. Taro, der älteste Sohn, bekommt die erste Burg und wird neues Oberhaupt der Familie – Jiro und Saburo sollen ihn mit eigenen Burgen unterstützen. Während sich Jiro der Entscheidung fügt und Treue schwört, rebelliert Saburo: Er bezeichnet die Idee seines Vaters als dumm. Dieser habe sein Reich schließlich auf Verrat und Intrigen errichtet und erwarte von seinen Söhnen nun das Gegenteil. Saburo prophezeit den Untergang des Reiches. Schließlich schickt sein Vater ihn in die Verbannung – doch Saburos Prophezeiung soll sich schon bald bewahrheiten…

Kritik

Ran vom großen Akira Kurosawa (u.a. Die Sieben Samurai, 1954) hat mich regelrecht umgehauen.
Ich liebe es grundsätzlich, wenn Regisseurinnen und Regisseure „raus gehen“, um ihre Filme zu machen und nicht alles im Studio oder per CGI machen. In Ran merkt man in jeder Einstellung, dass Kurosawa draußen war. Wir sehen echte Vulkane und echte Burgen. Wir sehen Rüstungen, die in über zwei Jahren Handarbeit gefertigt worden sind. Wir sehen mehr als 1000 Statisten und über 200 Pferde, die für den Film eingesetzt wurden.
Man kann all das für übertrieben und viel zu aufwendig halten. Trotzdem spürt man diese Liebe zum Filmemachen als Zuschauerin und Zuschauer. Ran blutet regelrecht Atmosphäre. Der Film wirkt stellenweise wie ein japanisches Herr der Ringe – nur eben ganz anders. Ran hat diesen für Japan so typischen, faszinierenden, mystischen und einzigartigen Charme.

Dieser wird mit epischen Momenten kombiniert, inszeniert von einem Regisseur, der sein Handwerk perfekt beherrscht. Kurosawa zaubert Bilder, von denen ich einige wohl nie vergessen werde. Da ist zum Beispiel die Szene, in dem Fürst Ichimonji aus einer brennenden Burg stapft und verzweifelt und verwirrt in die Kamera blickt – vor ihm gelb und rot leuchtende Soldatenrüstungen. Und natürlich hat Kurosawa diese Burg für knapp 1,6 Millionen selbst errichten lassen, nur um sie für diese Szene abbrennen zu lassen, sodass Schauspieler Nakadai beim Spielen der Szene nur einen Versuch hatte. 
Erwähnenswert ist auch das Farbspiel, welches eines der beeindruckendsten ist, die ich je in einem Film gesehen habe. Immer leuchtet etwas. Gelb, blau, rot – nie penetrant, immer schön.
Über die simpel gehaltene Geschichte, die an Shakespeares
König Lear angelehnt ist, lässt sich streiten, aber mir hat sie gefallen, stellt sie doch die einfache und zeitlose Frage: Wieso sind wir Menschen so grausam? 

Ran ist ein epochales Meisterwerk und ein Muss für alle, die Filme lieben.

Bewertung

4.5/5

Genre: Historienfilm | FSK: 12 | Laufzeit: 160 Minuten | zum Leihen u.a. auf Amazon Prime oder Apple TV

2. Im Westen nichts Neues (2022)

Plot

Frühjahr 1917, während des Ersten Weltkriegs: Der deutsche Teenager Paul Bäumer (Felix Kammerer) und seine Kameraden schreiben sich freiwillig in die deutsche Armee ein. Voller Eifer, Patriotismus und Begeisterung ziehen sie an die Westfront, um gegen die Franzosen zu kämpfen. Doch schnell müssen die jungen Männer feststellen, dass der Kampf für Deutschland keineswegs so ruhmreich ist, wie sie sich ihn vorgestellt haben. Ihre Illusion verpufft. So geht es für Paul und seine Kameraden schnell nur noch darum, zu überleben…

Kritik

Mit neun Oscar-Nominierungen stellt Im Westen nichts Neues von Regisseur Edward Berger gleich zwei Rekorde auf: Noch nie hatte ein deutscher Film so viele Oscarnominierungen und noch nie war ein deutscher Film bei der Veranstaltung in der Kategorie Bester Film nominiert. Grund genug für mich, den Film endlich nachzuholen. Und ich bin begeistert.
Die meiste Zeit über spielt der Film an der Front, wo wir durchgehend Paul Bäumer begleiten, der von einem starken Felix Kammerer gespielt wird. Paul bleibt als Charakter blass: Er hat keine große Hintergrundgeschichte und muss auch keinen besonderen Konflikt lösen. Es geht für ihn um keine Liebe, die zuhause auf ihn wartet oder einen Bruder, der gerettet werden muss. Für ihn geht es nur darum, den Wahnsinn des Krieges zu überleben. 

Durch das Verzichten auf einen Charakter mit Tiefe, rückt der Kampf an der Front in den Fokus – und damit der Schrecken des Krieges. Die Szenen an der Front sind grausam und brutal. Vieles, was die Zuschauerinnen und Zuschauer zu sehen bekommen, geht unter die Haut. Soldaten mit Flammenwerfern, die Menschen verbrennen; Panzer, die Menschen überrollen; Hinrichtungen.
Das Kriegsgeschehen ist schwer mit anzusehen. Auch, weil Make-Up und Kostüme ganzen Dienst leisten: Die heruntergekommenen Uniformen, die dreckverschmierten Gesichter, die gelben Zähne 
– all das ist toll umgesetzt. Dazu kommt ein fantastisches Szenenbild mit einer monochromen Farbgebung sowie Musik, die den Schrecken perfekt untermalen. 

Im Westen nichts Neues hat zudem ein super Tempo, da Berger es versteht, die aufwühlenden Frontszenen mit ruhigen Momenten zu paaren. Dafür nutzt er auch häufig die Parallelhandlung um Matthias Erzberger (Daniel Brühl), der einen Waffenstillstand mit den Franzosen aushandeln möchte. 
Leider wirkte dieser Handlungsstrang etwas deplatziert und gebraucht hätte ich ihn nicht.  Was mir ebenfalls nicht gefallen hat, ist das Schauspiel von ein paar kleineren Nebenrollen. Auch nuscheln viele der Soldaten, was es mir teils schwer gemacht, sie zu verstehen.

Nichtsdestotrotz ist Im Westen nichts Neues unter dem Strich ein großartiger Kriegsfilm. Denn im Vergleich zu vielen anderen Kriegsfilmen verzichtet er komplett auf irgendeine Art von Heldenpathos. Hier gibt es keinen Charakter mit Tiefe, der über sich hinauswächst und etwas Heldenhaftes tut. Hier gibt es nur Grausamkeit, Sinnlosigkeit und Tod. Denn nichts Anderes bedeutet Krieg. 

Bewertung

4/5

Genre: Kriegsdrama | FSK: 16 | Laufzeit: 148 Minuten | auf Netflix

3. Barbarian (2022)

Plot

Die junge Tess (Georgina Campell) hat ein Vorstellungsgespräch in Detroit. Um bei dem Termin ausgeruht zu erscheinen, hat sie sich über AirBnB ein Haus vor Ort gemietet. Dort angekommen muss sie feststellen, dass ihre gemietete Unterkunft bereits von einem Mann namens Keith (Bill Skårsgard) gemietet worden ist. Die Beiden einigen sich schließlich darauf, das Haus zu teilen. Doch schnell muss Tess feststellen, dass Irgendetwas mit dem Haus nicht stimmt. Im Keller macht sie schließlich eine grausige Entdeckung…

Kritik

Was wurde dieser Film gehyped – was ist er für eine Enttäuschung.
Barbarian von Zach Cregger beginnt wirklich gut. Die Prämisse um das doppelt gemietete AirBnB-Haus ist durchaus originell. Bill Skårsgard ist ein undurchsichtiger und komischer Kauz, der einfach nur nett oder ein psychopathischer Serienkiller sein könnte. Hier wird ein spannender Psychohorrorfilm mit beklemmender Atmosphäre aufgebaut. Zu schade, dass dieser Film nie kommt. 

Stattdessen kommt nach 45 Minuten – nach Tess „Keller-Entdeckung“ – ein Schnitt und wir sind auf einmal in Kalifornien. Mit Justin Long. Im Cabrio. Und Justin Long – im Film AJ Gibride – macht das, was Justin Long leider fast immer machen muss: Dumm sein und nerven.
Was von nun an folgt, ist der totale Zusammenbruch des Films. Auf einmal handeln die Charaktere wie in einem Horrorfilm, nur noch schlimmer; auf einmal versucht die Geschichte verrückte Twists einzubauen, die jedoch total konstruiert und hanebüchen sind; auf einmal versucht der Film originell zu sein, verliert sich aber in den klischeehaftesten Horrorklischees.
Dass Schlimmste daran ist, dass Barbarian diese Kakophonie an Dummheiten mit jeder Minute steigert: Der Film wird immer dümmer und dümmer – so dumm, das es beinahe unerträglich wird. Ich war kurz davor, den Film abzubrechen.
So mündet Barbarian dann auch in einem der lächerlichsten Horrorfilm-Enden, die ich je gesehen habe. 

Es ist einfach tragisch, wie sich ein Film so verlieren kann. Am meisten ärgert mich, dass hier ein Film aufgebaut wird, der nie kommt. Es geht nie um Tess und Keith in der AirBnB-Wohnung. Es geht um Justin Long und komische Sachen im Keller. Es ist grundsätzlich cool, wenn mit den Erwartungen der Zuschauerinnen und Zuschauer gespielt wird – nur dann müssen die Überraschungen auch sitzen. In Barbarian sitzt nach 45 Minuten überhaupt nichts mehr.

Bewertung

2/5

Genre: Horror | FSK: 18 | Laufzeit: 102 Minuten | auf Disney+

4. Avatar: The Way of Water

Plot

Mehr als 10 Jahre sind die Ereignisse des ersten Films her. Jack (Sam Worthington) und Neytiri (Zoe Saldana) haben mittlerweile eine Familie gegründet. Neteyam (Jamie Flatters), Lo´ak (Britain Dalton) und Tuktirey (Trinity Bliss) sind ihre Kinder. Dazu haben sie den Menschenjungen Miles Soccorro alias „Spider“ (Jack Champion) und Kiri (Sigourney Weaver) in ihrer Familie aufgenommen. Immer noch wird Pandora von den Menschen bedroht: Sie wollen den Planeten mit ihrer Militärkraft für sich beanspruchen wollen. Die Familie sucht schließlich Zuflucht beim Volk der Metkayina, das an den Küsten und Meeren des Mondes lebt. Doch wie die Familie schnell feststellen muss, ist sie auch hier nicht sicher…

Kritik

Avatar: The Way of Water ist ein Film, der nachreift – und zwar im negativen Sinne. 
Natürlich sind da auf der einen Seite wieder diese unglaublichen Bilder, die ich so noch nie im Kino gesehen habe. Das Leben auf Pandora wirkt so echt, dass man das Gefühl hat, es könnte wirklich existierenCameron verliert sich dabei glücklicherweise nicht in seiner Welt: Auch wenn er links und rechts mal abdriftet oder manche Bilder zu lange stehen lässt, verliebt er sich nie so sehr darin, dass es anstrengend wird.
Was ich ebenfalls an dem Film mochte, sind die zahlreichen Themen, die Cameron verarbeitet: Familie, Freundschaft, Wissenschaft, Kultur oder Umweltzerstörung – der Regisseur versucht viele aktuelle Probleme aufzugreifen, was ihm auch gelingt. Und um all das herum muss auch noch eine Geschichte erzählt und und neue Charaktere eingeführt werden. Diese ganzen Elemente zusammenzuhalten und sich nicht zu verhaspeln: Das muss man bei einem Werk mit solch einer großen Erwartungshaltung erstmal schaffen.
Was ich ebenfalls an
Avatar 2 schätze, ist die Liebe, die in dem Film steckt. In jeder Sekunde merkt man Cameron die Liebe zu seiner Welt und vor allem die Liebe zum Filmemachen an. Man hat nie das Gefühl, dass hier ein Regisseur am Werk ist, der diesen Film machen muss, sondern ein Regisseur, der diesen Film machen will.

Und trotzdem: Auf der anderen Seite hat Avatar 2 viele Schwächen. War ich kurz nach dem Kinobesuch noch begeistert, muss ich heute sagen, dass der Film mit der Zeit überraschend schnell verpufft ist. Woran liegt das? 
Die Geschichte ist wie schon beim Vorgängerfilm extrem dürftig. Ich war wirklich überrascht, dass Cameron erzählerisch so wenig Neues anbietet. Teilweise wirkte der Film wie Recycling des ersten Teils. Dazu spielt Avatar 2 mit seiner Unterwasserwelt an der Küste in einem überraschend kleinen Mikrokosmos: Die Handlung um Jacks Familie beim Volk der Metkayina wirkt beinahe banal im Vergleich zu den wirklich großen Problemen, die Pandora hat.
Dazu kommen etliche weitere Schwächen, wie die unbefriedigende Charakterentwicklung einiger Figuren, teils schwache Dialoge und krasse Logiklöcher.
Und so habe ich gemerkt, dass sobald der Bilderflash vorbei ist, nicht mehr viel übrig bleibt. Das gilt wahrscheinlich erst recht, wenn man den Film zuhause auf der Couch sieht. Das Prinzip, nur beeindrucke Bilder zu zeigen, funktioniert also immer weniger und bekommt Abnutzungserscheinungen. 

Für den nächsten Avatar wünsche ich mir deswegen, dass Cameron endlich das große Ganze in Angriff nimmt und erzählerisch mehr wagt.   

Bewertung

3.5/5

Genre: Science Fiction | FSK: 12 | Laufzeit: 193 Minuten | im Kino und auf Disney+

5. The Witch (2015)

Plot

Im Neuengland des 17. Jahrhunderts führt das tiefreligiöse Ehepaar William (Ralph Ineson) und Katherine (Kate Dickie) mit seinen fünf Kindern ein raues Leben, bei dem es in erster Linie darum geht, Essen auf den Tisch zu bekommen. Sie wohnen nahe eines Waldes, in dem es angeblich Hexerei geben soll. In ihrem harten Alltag mehren sich auf einmal schreckliche Geschehnisse und die Familie scheint von einem Fluch belegt zu sein. Dabei fällt der Verdacht auch auf die älteste Tochter Thomasin (Anya Taylor-Joy), die von ihren Geschwistern der Hexerei bezichtigt wird…

Kritik

Nachdem ich Der Leuchtturm (2019) und im vergangenen Jahr The Northman (2022) von Robert Eggers sehr gemocht habe, wollte ich unbedingt den ersten Film des Regisseurs nachholen: The Witch.
Eggers ist bekannt dafür, seine Filme historisch sehr akkurat umzusetzen. Und auch in The Witch wird man als Zuschauerin und Zuschauer in eine Art Zeitkapsel geworfen. So stammen fast alle Gebete der Familie aus echten Büchern der damaligen Zeit; das Farmleben samt Erntetechniken und Arbeitsgeräten ist historisch genaustens dargestellt. Eggers zeigt die Welt genau so, wie sie damals war.
Wie bei allen Eggers-Filmen liegt darin auch bei
The Witch der Charme: Dieser „Hardcore-Realismus-Stil“ löst ein extrem beklemmendes Gefühl aus, denn als Zuschauerin und Zuschauer spürt man: Was da gerade passiert, ist in der Vergangenheit wahrscheinlich wirklich mal passiert. Das macht die graue und triste Welt in The Witch unglaublich intensiv.

Noch mehr Spaß bringt das, weil Eggers diese dichte Atmosphäre mit einer Geschichte verknüpft, die mit penetranter Kraft auf die Psyche der Zuschauerinnen und Zuschauer drückt. Die Familienmitglieder sind allesamt zwielichtig. Die Eltern haben einen beinahe unzurechnungsfähigen Gott- und Aberglauben, der sie jederzeit etwas Verrücktes tun lassen könnte. Die Kinder – auch die kleinsten – sind gemein, gehässig und unberechenbar. Selbst die Tiere scheinen etwas im Schilde zu führen. Die Situation auf dem Hof ist wie ein Pulverfass, das jederzeit zu explodieren droht. 
In dieser angespannten Lage inszeniert Eggers einen Horror, der von außerhalb und innerhalb der Familie kommt. Mal sehen wir beispielsweise Psychospielchen zwischen Mutter und Tochter, mal sehen wir Hexen im Wald, die Kinder mit ihrer Schönheit anlocken.
Der Film pendelt permanent zwischen diesen beiden Horrorebenen und verwirrt so die Zuschauerinnen und Zuschauer: Sind es die teuflischen Mächte von außen oder ist es die Familie selbst, die vom Teufel heimgesucht wird – oder ist alles nur Einbildung? 
Noch spannender wird diese Frage, weil Eggers sich zum Ende hin von seinem Hardcore-Realismus-Stil löst und damit spielt. The Witch steigert dieses Psycho-Kammerspiel bis zu einem Punkt, wo alles möglich scheint. 

So geht guter Psychohorror.

Bewertung

4/5

Genre: Horror | FSK: 16 | Laufzeit: 92 Minuten | zum Leihen u.a. bei Amazon Prime und Apple TV

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